Billigkeitserlass bei fehlerhaften Rechnungen
Ein Billigkeitserlass kann gerechtfertigt sein, wenn sich zwei Unternehmer ausgehend von den zivilrechtlichen Vereinbarungen aufgrund eines gemeinsamen Irrtums über die zutreffende steuerrechtliche Beurteilung vor höchstrichterlicher Klärung einer Streitfrage ohne Missbrauchs- oder Hinterziehungsabsicht gegenseitig Rechnungen mit unzutreffendem Steuerausweis erteilen und aufgrund der Versteuerung der jeweils zu Unrecht gesondert ausgewiesenen Steuerbeträge bei einer Gesamtbetrachtung keine Gefährdung des Steueraufkommens vorliegt (BFH, Urteil vom 27.09.2018 – V R 32/16; veröffentlicht am 06.02.2019).
Nach § 163 Satz 1 AO in seiner in den Streitjahren geltenden Fassung können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne die Steuer erhöhende Besteuerungsgrundlagen unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls aus sachlichen oder aus persönlichen Gründen unbillig wäre. Die Festsetzung einer Steuer ist aus sachlichen Gründen unbillig, wenn sie zwar dem Wortlaut des Gesetzes entspricht, aber den Wertungen des Gesetzes zuwiderläuft (vgl. BFH-Urteile vom 11.07.1996 – V R 18/95, BStBl II 1997, 259).
Die Klägerin ist aufgrund mehrerer Verschmelzungen Gesamtrechtsnachfolgerin der G-GmbH (GmbH). Die GmbH ging beim sog. Sale-and-Mietkauf-back in den Streitjahren 2003 und 2004 davon aus, dass sie Gegenstände von ihren Kunden umsatzsteuerpflichtig erworben und an diese umsatzsteuerpflichtig geliefert habe. In ähnlicher Weise nahm sie beim sog. Bestelleintritt in den Streitjahren 2001 bis 2004 an, dass Lieferanten an sie umsatzsteuerpflichtig geliefert haben und sie die Kunden umsatzsteuerpflichtig beliefert habe. Im Anschluss an eine Außenprüfung nahm das FA demgegenüber an, dass die Klägerin aus Eingangsrechnungen in beiden Geschäftsbereichen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sei, während sie die Steuer aus von ihr unzutreffend erteilten Rechnungen mit Steuerausweis schulde.
Daraufhin gab die Klägerin berichtigte Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre 2001 bis 2004 ab. Gegen die als Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung geltenden Erklärungen legte sie Einspruch ein und beantragte einen Steuererlass aus Billigkeitsgründen, den sie mit Nichtbeanstandungsregelungen des BMF vom 04.12.2012 (BStBl I 2008, 1084) zu Fällen des Sale-and-Mietkauf-back und des Bestelleintritts begründete. Der Einspruch gegen die Steuerfestsetzung und gegen die Ablehnung des Billigkeitserlasses hatte keinen Erfolg, die hiergegen gerichtete Klage in Bezug auf eine Billigkeitsentscheidung dagegen schon.
Der BFH bestätigte die Auffassung der ersten Instanz hinsichtlich der Billigkeitsentscheidung in Teilen:
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Die hinsichtlich der Steuerfestsetzungen eingelegte Revision der Klägerin ist unbegründet, da die Umsatzsteuerfestsetzungen materiell-rechtlich zutreffend, s. auch BFH, Urteil vom 09.02.2006 – V R 22/03, BStBl II 2006, 727 zu Leistungsbeziehungen beim “sale-and-lease-back”-Verfahren.
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Soweit das FG einen Billigkeitserlass hinsichtlich des Bestelleintritts bejaht hat, ist die Klage ebenfalls abzuweisen. Dieser Streitpunkt weist keine Besonderheiten auf, die einen Anspruch auf Billigkeitserlass vermitteln. Es geht um eine Kette von Rechnungen mit unzutreffendem Steuerausweis, nicht um eine gegenseitige Erteilung von Rechnungen zwischen zwei Personen.
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Demgegenüber hat das FG in Bezug auf den Steuerausweis bei den Sale-and-Mietkauf-back-Geschäften den Anspruch auf Billigkeitserlass zutreffend bejaht.
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Vorliegend sind die GmbH und ihre Vertragspartner von einer Lieferung durch den jeweiligen Vertragspartner an die GmbH (“sale”) und eine unmittelbare Rücklieferung durch die GmbH (“Mietkauf-back”) ausgegangen und haben sich für diese Lieferungen jeweils gegenseitig Rechnungen mit Steuerausweis erteilt, während umsatzsteuerrechtlich nur eine Darlehensgewährung durch die GmbH vorlag.
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Die Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs und die Erteilung von Rechnungen mit Steuerausweis beruhte dabei auf rechtlichen Fehlvorstellungen zu Rechtsfragen, zu denen in den Streitjahren noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung vorlag.
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Zwar bedarf es in Fällen eines unzutreffenden Steuerausweises grundsätzlich einer Rechnungsberichtigung (vgl. § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG, § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG a.F.), um einer Gefährdung des Steueraufkommens entgegenzuwirken.
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Etwas anderes gilt allerdings, wenn sich – wie hier – zwei Unternehmer ausgehend von den zivilrechtlichen Vereinbarungen aufgrund eines gemeinsamen Irrtums über die zutreffende steuerrechtliche Beurteilung vor höchstrichterlicher Klärung einer Streitfrage (hier: BFH, vom 09.02.2006 – V R 22/03, BStBl II 2006, 727) ohne Missbrauchs- oder Hinterziehungsabsicht gegenseitig Rechnungen mit unzutreffendem Steuerausweis erteilen und aufgrund der Versteuerung der jeweils zu Unrecht gesondert ausgewiesenen Steuerbeträge bei einer Gesamtbetrachtung des Sale-and-Mietkauf-back-Geschäfts keine Gefährdung des Steueraufkommens vorliegt und auch nicht vom FA dargetan wird.
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Unter diesen Umständen ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, einen Billigkeitserlass zu bejahen, obwohl die Änderung im Festsetzungsverfahren einer Rechnungsberichtigung bedarf.
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