Zinssatz von 6% möglicherweise bereits ab 2012 verfassungswidrig
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat ernstliche Zweifel, ob der steuerliche Zinssatz von 6% p.a. für Nachzahlungs- und Aussetzungszinsen für Verzinsungszeiträume ab 2012 noch verfassungsgemäß ist. Der BFH gewährt daher die Aussetzung der Vollziehung von Zinsfestsetzungen für Verzinsungszeiträume ab diesem Zeitpunkt.
Hintergrund und Sachverhalt
Kommt es zu einer Steuernachzahlung oder zu einer Aussetzung der Vollziehung, ist der Nachzahlungsbetrag mit 0,5% monatlich, also mit 6% jährlich, zu verzinsen. Die Höhe dieses Zinssatzes wird von Fachleuten für verfassungswidrig gehalten. Der BFH hat bereits in einem früheren Eilverfahren den Zinssatz für den Verzinsungszeitraum ab dem 01.04.2015 als verfassungswidrig angesehen.
Die Antragsteller beantragten für die Steuerfestsetzungen der Jahre 2007 bis 2010 erfolgreich die Aussetzung der Vollziehung und legten gegen die Steuerbescheide Einspruch ein. Nachdem das Einspruchsverfahren erfolglos geblieben war, setzte das Finanzamt Aussetzungszinsen auf der Grundlage des gesetzlichen Zinssatzes von 6% für den Verzinsungszeitraum November 2012 bis September 2016 fest. Gegen die Zinsfestsetzung legten die Antragsteller Einspruch ein und beantragten Aussetzung der Vollziehung.
Entscheidung zum Zinssatz:
Der BFH gab dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung statt:
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Der gesetzliche Zinssatz von 0,5% monatlich bzw. 6% jährlich könnte verfassungswidrig sein. Für den Verzinsungszeitraum ab April 2015 gibt es bereits eine entsprechende Entscheidung des BFH.
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Die verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen auch hinsichtlich des Verzinsungszeitraums ab 2012. Denn bereits zu diesem Zeitpunkt war das Marktzinsniveau deutlich niedriger als der gesetzliche Zinssatz von 6%. Außerdem fehlt es an einer Begründung für die gesetzliche Festlegung eines Zinssatzes von 6%.
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Zwar rechtfertigt nicht jeder verfassungsrechtliche Zweifel eine Aussetzung der Vollziehung. Die verfassungsrechtlichen Zweifel sind hier allerdings schwerwiegend. Außerdem ist nicht ersichtlich, dass durch eine Aussetzung der Vollziehung das öffentliche Interesse an einem geordneten Bundeshaushalt beeinträchtigt werden könnte.
Die Frage der Verfassungswidrigkeit des Zinssatzes betrifft nicht nur Aussetzungs- und Nachzahlungszinsen, sondern beispielsweise auch Stundungszinsen sowie Hinterziehungszinsen, aber auch Erstattungs- oder Prozesszinsen.
Wegen der möglichen Verfassungswidrigkeit sollten Zinsfestsetzungen in jedem Fall mit einem Einspruch angefochten und ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt werden.
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